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  • AutorenbildLisa Gräff Fotografie

Achterbahnfahrt der Gefühle

Es ist Freitag Morgen. Zeit ins Büro zu fahren und ich bin mal wieder spät dran. Trotz allem nehme ich mir die Zeit mich kurz zu Paul auf der Couch zu kuscheln. Das ist inzwischen zum morgendlichen Pflichtprogramm geworden. Seit das letzte Jahr gesundheitlich ein einziges auf und ab war versuche ich mich jedes mal, wenn ich das Haus verlasse ausgiebig von ihm zu verabschieden. Mit seinen 13,5 Jahren ist unsere gemeinsame Zeit begrenzt. Ich habe keine Ahnung ob uns noch Tage, Wochen oder Monate bleiben. Auf Jahre wage ich fast nicht zu hoffen. Unser Leben hat sich mit zunehmendem Alter verändert und für mich zu einem Wechselbad der Gefühle geworden.

So in Gedanken versunken mache ich mich auf den Weg ins Büro Heute ist so ein Tag, an dem ich mich einfach nicht losreisen kann. Unwillkürlich schweife ich zurück.


Ein Hund war eigentlich nie geplant. Mein Dad sagte immer, er möchte keinen Hund, denn den muss dann auch irgendjemand einschläfern lassen wenn er alt ist. Damals mit meinen 11 Jahren dachte ich "Bis dahin bin ich groß, bis dahin schaffe ich das!"

Heute mit 24 weiß ich, das das völlig naiv war.


Aber wie sind wir dann auf den Hund gekommen?

Naja, daran war wohl auch ich schuld!


Irgendwann fragte mich mich eine frühere Schulfreundin: "Hey, warum habt ihr eigentlich keinen Hund?" Wie das mit Kindern halt so ist, marschierte ich mittags zu meiner Mum und fragte warum wir eigentlich keinen Hund haben! :D

Was meine Mum zu der Zeit noch mit einem Kopfschütteln quittierte, sollte ein dreiviertel Jahr später wahr werden. Dann eins steht fest, ich war auch damals schon ein ziiiiemlich stures Kind. Mein Dad gab zu erst klein bei und schließlich willigte auch meine Mum ein. Wir schauten in der Zeitung und im Internet nach Vermittlungsanzeigen und stießen schließlich auch einen Riesenschnauzer unter einer Gardine. Damit war mein ursprünglicher Wunsch nach einem Bernhardiner vergessen. Nach dreitägigem hin und her riefen meine Eltern bei dem Züchter an und wir machten uns zu Beginn der Sommerferien auf den Weg in den Schwarzwald "nur mal schauen". Denn eigentlich war der Familienzuwachs erst zum Ende der Sommerferien geplant. Wie das Rennen ausging wisst ihr wohl alle!


Beim Züchter angekommen wurden wir von 12 zuckersüßen Welpen begrüßt. Alle samt 12 Wochen alt, bereit aus zu ziehen. Wie es das Schicksal so wollte, war noch ein Rüde zu haben. Damals der kleinste und zierlichste Rüde des ganzen Wurfs... und für uns auf den ersten Blick perfekt! Vom Züchter bekamen wir Futter für die ersten Tage, einen Napf und eine Decke dazu geschenkt. Immerhin hatten wir so garnichts an Ausstattung daheim.

Stolz wie Oskar nahm ich meinen Welpen mit auf den Rücksitz. Box hatten wir ja keine. Wobei klein Paul uns sehr schnell zu verstehen gab, was er davon hielt. Es dauerte keine 10 km, schon hatte ich statt meinem flauschigen kleinen Welpen ein halbes Kilo schleimiges Trockenfutter auf dem Schoß! Das erklärte dann auch den davor kugelrunden Welpen Bauch. Die restliche Heimfahrt verlief problemlos. Daheim angekommen wurde dann aus einem Gürtel ein Halsband gebastelt und es ging die ersten paar Meter Gassi.

Einen Plan was wir da taten hatten wir zugegebenermaßen keinen und bis wir in die erste Hundeschule kamen, sollten noch ein paar Monate vergehen. Im Haus war Paul ein unheimlich braver Welpe. Er hat nichts angekaut oder zerstört. Die Tapete blieb an den Wänden und auch stubenrein war er innerhalb kürzester Zeit. Nach gut zwei Wochen taute er richtig auf und ab diesem Moment hatte er auch, das für ihn so typische, Funkeln in den Augen, das mir verrieten das er irgend etwas anstellen wollte. Während Paul und ich da so vor uns hin pubertierten, wollte meine Mum uns vermutlich so manches mal beide aussetzen! :D


Ich gehörte nie zu den Kindern, bei denen das Haustier nach einigen Wochen abgeschrieben war. so erlebten wir eine ganze Menge, auf unseren Streifzügen durch das heimische Feld. Für mich das damals wichtigste Kommando "Pfote geben" hatte er auch unheimlich schnell begriffen. Das ich damals wegen vorbei rennenden Katzen an so manchem Laternenpfahl bremste, war mir reichlich egal. Auch das ich des Öfteren meiner Unterwäsche nach jagte und deshalb zu spät zur Schule kam, störte mich ziemlich wenig. Ja, richtig gelesen.

Paul liebte es, sich jeden Morgen einen BH zu klauen und damit wie von der Tarantel gestochen durchs Haus zu flitzen. Socken und Unterwäsche kamen hier zu nicht in Frage, es musste unbedingt ein BH sein.

Insgesamt war Paul ein absoluter Meisterdieb. Kein Kuchen stand hoch genug und kein Mülleimer war gut genug verriegelt. Drei Sekunden reichten und schon war der Bienenstich, der eigentlich für meine Geburtstagsgäste gedacht war, gefressen. Wie er die Tortenplatte auf bekam ist mir allerdings bis heute ein Rätsel.


So vergingen die Jahre und wir wurden zusammen erwachsen. Paul war in meiner oft nicht einfachen Schulzeit meine größte Stütze und mein bester Freund. Zusammen wagten wir uns ans Mantrailing und übten zahlreiche Tricks. Meine ersten Fotos mit der Kamera machte ich von ihm und er hatte unendlich viel Geduld mit mir. Auch wenn das hieß 20 Minuten an der selben Stelle aus zu harren.

All diese Erinnerungen treiben mir ein breites Grinsen ins Gesicht. Keine Ahnung wer ich ohne diesen Hund heute wäre, Tierfotografin vermutlich nicht.

So mache ich mich nach 4 Stunden Arbeit auf den Heimweg. Daheim angekommen werde ich von Anna und Ritchie stürmisch begrüßt. Während die beiden da so um mich rum wuseln fliegen auch schon die ersten Federn durch den Flur.

Äh halt, Federn?

Wo kommen die den bitte her?

Ich mache mich auf den Weg ins Schlafzimmer und mich trifft der Schlag. Statt der Kissen liegt dort einfach ein riesiger Haufen Federn im Bett. Als ich mich schon zum schimpfen zu Paul und Anna umdrehen möchte, fängt sich der Federhaufen an zu bewegen. Paul blinzelt mich mit riesigen Augen die "Ich kann nichts dazu, die Kissen haben mich angegriffen!" sagen an und ich kann einfach nicht anders als los zu lachen. Das "nie was zerstört" kann ich jetzt wohl aus seinem Lebenslauf streichen! Vergessen ist die Angst und die Sorge um meinen Opi für einen Moment. Wenn ich so in seine unschuldigen Kulleraugen schaue ist meine Welt okay.


Ja unsere Spaziergänge sind kürzer geworden, die Schlafenzeiten länger und die alten Spielzeuge sind weggeräumt. Aber wir sind immer noch wir! Wenn ich eins von Paul lernen kann, dann ist es wohl im hier und jetzt zu leben und jede Minute die uns bleibt zu genießen!

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